Im Gespräch: Gabor Wild | Friedrich Graumann & Co.

Porträt von Gabor Wild, Projektentwickler des Graumann-Viertels

Die Graumann-Lofts, der Lebensraum Arbeit, lebt von seinen innovativen Köpfen. Gabor Wild ist der Projektentwickler hinter dem Graumann-Viertel. Wir haben ihn zum Gespräch getroffen. 

Heute im Gespräch:

Gabor Wild, Projektentwickler der Firma Friedrich Graumann & Co.

Es braucht etwas Besonderes, damit mein Herz höher schlägt und mein Herzblut in das Projekt fließt. Ich liebe und brauche diese Herausforderungen sowie Komplexitäten, um jeden Tag aus dem Bett zu hüpfen, diesen zu begegnen und daran zu wachsen.
Gabor, Tassilo Lang hat uns im Interview erzählt, dass ihr euch schon lange, bevor du in das Bauvorhaben „Graumann-Viertel“ involviert wurdest, kanntet. Kannst du uns kurz über deine Geschichte und Tätigkeit vor den Graumann-Lofts erzählen? 

Meine berufliche Geschichte begann mit meinem Bauingenieurwesen-Studium an der TU Wien. Währenddessen hat ein Studienkollege von mir, der bei PORR Hochbau AG gearbeitet hat, den Auftrag bekommen, eine Niederlassung in Ungarn aufzubauen bzw. die Möglichkeiten zu prüfen. Mein Kollege wusste, dass ich in Budapest aufgewachsen bin und wollte mich bei diesem Projekt an Bord haben. So wurde ich vom Unternehmen schließlich gefragt, ob ich mich nicht in die PORR-Familie einleben möchte, um dann in Budapest diese Niederlassung mit aufzubauen – was dann auch geschah. Zu dieser Zeit entstanden dort sehr viele Büroprojekte bzw. Bürogebäude. Wir begannen als PORR Hochbau in Ungarn 2001 als Generalunternehmer Großprojekte mit Bauvolumina oberhalb der – wohlgemerkt damals – 15 Millionen Euro umzusetzen. Ich war bei der Hochbau-Niederlassung bis 2007 operativ und als Geschäftsführer der PORR Hochbau tätig, wollte mich aber dann beruflich verändern, da mich die Projektentwicklung interessierte. Nachdem die PORR damals in Ungarn noch keine Projektentwicklung etabliert hatte, habe ich dies konzernintern vorgeschlagen und bin zu PORR Solutions gewechselt – der damaligen Immobilienentwicklungstocher der PORR AG. Diese deckte die Immobilienentwicklung im Hochbau- und Infrastrukturbereich ab. Dort war ich für den Hochbaubereich zuständig. Dabei wurden vorwiegend Bürogebäude sowie ein Projekt mit einer gemischten Nutzung (Büro, Hotel, Handel) akquiriert und entwickelt . Als PORR aus unterschiedlichen Gründen beschloss, sich aus Ungarn zurückzuziehen, habe ich mich nach zwölf Jahren intensivster Arbeit in Ungarn sowie anderen Ländern entschieden, nach Wien zurück zu kommen. 

Wie bist du dann zu den Graumann-Lofts gekommen bzw. zum Projekt Graumannviertel von Tassilo Lang?

Wir haben uns 2008/2009 über gemeinsame Freunde kennen gelernt. Damals hat er mir zum ersten Mal vom Graumann-Areal und von seinem Wunsch, dieses zu entwickeln, erzählt. Ich war damals noch bei der PORR und habe ihm gesagt, dass man so ein Projekt nicht nebenbei betreiben kann. Zudem hatte ich dort einen Fulltimejob mit Überstunden, Konkurrenzklauseln etc. 2013, ungefähr zur selben Zeit in der ich mich von der PORR verabschiedete, sind einige Themen für Tassilo in Zusammenhang mit dem Graumann-Areal virulent geworden. Im Zuge dessen kam er auf mich zu und ich bot ihm meine Unterstützung an. Von da an bin ich immer mehr in dieses Projekt hineingewachsen. 2013 sah ich mir das erste Mal das Areal und die Umgebung an, um das Projekt und die Stadt Traun besser zu verstehen und eine erste Analyse vorzunehmen. Bis 2015 war ich allerdings noch für einen großen amerikanischen Ingenieurkonsulenten tätig. Zu dem Zeitpunkt bereits mit der Vereinbarung, dass ich außerdem noch das Projekt „Graumann-Viertel“ mit betreue. 

Du bist erfahrener Projektentwickler und -abwickler. Welche Projekte taugen dir am meisten oder anders gefragt: was haben die Projekte gemeinsam, die du am liebsten entwickelst und abwickelst? Gibt es irgendwelche Maßstäbe, wo du sagst, das muss ein Projekt haben, oder das muss ich darin sehen?

Eine Voraussetzung ist: es muss ein Großprojekt sein. Ich muss mich gefordert fühlen. Und es sollte sich durch irgendwelche Alleinstellungsmerkmale auszeichnen, die es spannend machen. Das kann zum Beispiel die besondere Herausforderung der Lage sein oder spezifische, technische Themen oder es ist das erste seiner Art. Es braucht etwas Besonderes, damit mein Herz höher schlägt und mein Herzblut in das Projekt fließt. Ich liebe und brauche diese Herausforderungen sowie Komplexitäten, um jeden Tag aus dem Bett zu hüpfen, diesen zu begegnen und daran zu wachsen.

Was waren die Punkte, die beim Graumann-Viertel dein Herz höher schlagen ließen?

Also einerseits habe ich natürlich in dem Areal das Potenzial gesehen. Andererseits bin ich mit der Familie von Tassilo Lang seit 2008 auch freundschaftlich verbunden und eng zusammen gewachsen. Insofern war hier das Herz von Anfang an stark involviert. Es ist sehr schön, wenn man auf dieser Basis etwas geben kann und vielleicht mehr Sicherheit bieten kann, als wenn das jetzt ein komplett Fremder in die Hand nimmt. Wir konnten natürlich auf einem ganz anderen Vertrauensverhältnis aufbauen. 

Gab es auch fachspezifisch bzw. bautechnisch eine Challenge bei dem Projekt?

Ja, durchaus. Dazu muss ich vielleicht kurz ausholen: das Graumann-Areal war früher eine Textilfabrik. Das bedeutet, dass dieses Areal im Flächenwidmungsplan bzw. Bebauungsplan als Altlastenverdachtsfläche ausgewiesen war. Das heißt, dass das Erdreich kontaminiert sein kann – ungewissen Ausmaßes. Für die Projektentwicklung erzeugt dies einen gewissen Aufwand, den man in der Vorentwicklungsphase im Budget berücksichtigen muss. Eine derart belastete Liegenschaft ist beispielsweise für Banken häufig ein zu großes Risiko in Sachen Besicherung. Deshalb war es für uns wichtig in Erfahrung zu bringen: wovon sprechen wir hier überhaupt? Gibt es eine Kontamination und in welchem Ausmaß? Dafür haben wir dann eine historische Recherche gemacht, um herauszufinden wo was produziert wurde und wie die Hallen genutzt wurden. Wir hatten ja nicht nur die Textilfabrik hier, sondern, nachdem diese stillgelegt wurde, ebenso externe Mieter, von denen es potentielle Erdreichskontaminationen hätte geben können. Zusätzlich zu dieser Recherche wurden Probeschürfungen und entsprechende Auswertungen beauftragt.

Das war insgesamt schon ein großes Thema. Aber mit Hilfe von der GUT, die uns auf diesem Weg wirklich sehr gut begleitet hat, habe ich dann dem Umweltbundesamt, darlegen können, dass diese Deklaration als Altlastenverdachtsfläche eigentlich nicht gerechtfertigt war. Ferner haben die Ergebnisse aus den Probeschürfungen gezeigt, dass es eine falsche Ersichtlichmachung war. Es wurde als Altlastenverdachtsfläche geführt, obwohl man eigentlich Altstandort gemeint hat. Mit diesen Ergebnissen konnten wir dann den Plan ändern lassen und hatten die erste größere Hürde genommen. 

Die nächste Hürde war dann, die notwendigen Abbruchgenehmigungen zu bekommen. Die Stadt Traun hatte am Graumann-Areal die Spinnerei, die zu einem sehr guten und namhaften Veranstaltungszentrum herangewachsen war. Daher gab es hier natürlich das Interesse und die Hoffnung der Stadt, dies an diesem Standort zu erhalten. Da an diesem Standort lange nichts passiert war, hat man vielleicht geglaubt, dass dies so bleibt. Jedenfalls kann ich mich noch gut an ein Gespräch mit dem damaligen Bürgermeister erinnern, der mich gefragt hat: „Glauben Sie, dass Sie der Erste sind, der als Projektentwickler im Auftrag der Firma Graumann hierher kommt?“ Ich dachte: „Ich bin vielleicht nicht der Erste, aber der Erste, der hier eine umfängliche  Projektentwicklung des damaligen Graumann-Areals bis zur Umsetzung verfolgt.“ 

Um der Spinnerei die Möglichkeit zu geben, einen geeigneten Standort zu beziehen, haben wir schlussendlich ein Jahr mit der Entwicklung gewartet. Der Mietvertrag der Spinnerei ist eigentlich ausgelaufen gewesen. Wir hätten nicht verlängern müssen. Doch die Spinnerei ist natürlich eine wichtige Kulturstätte in Traun und uns war wichtig, dass die Trauner und Traunerinnen nicht ein Jahr lang darauf verzichten müssen. Deshalb haben wir ihnen die Zeit gegeben, dass sie mit Kontinuität weiter arbeiten können. 

Dazu kam, dass dort, wo jetzt die Graumann-Lofts stehen, noch Kioske standen und es teilweise unbefristete Mietverträge gab. Diesbezüglich waren ebenfalls umfassende Verhandlungen notwendig, wobei uns immer wichtig war, dass wir mit den Mietern gemeinsam eine Lösung auf Augenhöhe finden. 

Den Bebauungsplan für die zur Neubebauung vorgesehenen Teilfläche (des damals sogenannten Graumann-Areals) haben wir schließlich in Zusammenarbeit mit der Stadt Traun in einem städtebaulichen Architekturwettbewerb bewerten lassen. Auch an dieser Stelle dürften wir zum damaligen Zeitpunkt „Pionierarbeit“ geleistet haben. Im Rahmen des Wettbewerbs wurden auch die – aus unserer damaligen Sicht – erhaltenswerten Bauten auf der „restlichen“ Teilfläche des Areals mitberücksichtigt. So wurden von namhaften oberösterreichischen Architekten unterschiedliche, spannende Projekte qualitativ hochwertig ausgearbeitet. 

Schon bei der Vorbereitung dieses stätdtebaulichen Wettbewerbs war Hannes Horvath mit seiner vielschichtigen Expertise bereits mit an Bord und hat in weiterer Folge die Projektumsetzungsphase mit seinem Team federführend übernommen. 

Insgesamt war das ein unerwartet langer Vorlauf, bis die Voraussetzungen für erste konkrete Planungs- und Umsetzungsmaßnahmen gegeben waren. Die Vorgeschichte einer Liegenschaft kann die Entwicklungsphase wohl enorm beeinflussen…

Gabor Wild und Tassilo Lang auf Baggerschaufel beim Spatenstich.
Beim Spatenstich: Projektentwickler Gabor Wild und CEO Tassilo Lang von der Firma Friedrich Graumann & Co.
War das vielleicht auch ein Learning aus dem Projekt? Ich finde, bei jedem Projekt, egal wie groß, kann man immer spezifische Learnings ziehen. Was waren jene vom Projekt Graumann-Viertel?

Ja, das gehört definitiv zu den Learnings, weil die Dauer dieser Projektentwicklungsphase für mich unerwartet lang war. Den Teil „Abbruch und Änderung des Bebauungsplans“ habe ich terminlich ganz woanders eingeschätzt. Doch diese Zeitachse ist stark von den handelnden Personen und deren Interessen, den Motivatoren und dem Vertrauen zum Projekt abhängig. Diesbezügliche Erfahrungen aus anderen Projektentwicklungen lassen sich nicht übertragen und können zu falschen Erwartungshaltungen führen.

Ich frage bei meinen Interviews stets danach, was sich die Befragten für Nachbarn oder Mieter in den Graumann-Lofts wünschen. Ein paar wenige Plätze sind ja noch frei. Was würdest du dir noch in den Graumann-Lofts wünschen?

Also, wenn wir das jetzt top down angehen möchten, würde ich mir im noch nicht vermieteten Bereich des 3. OG eine spannende Vermietung wünschen. Irgendwas Befruchtendes für den Standort und die Zukunft hier.

Im Erdgeschoss würde ich mir eine gute Kontaktfläche zwischen innen und außen wünschen, zwischen Graumann-Lofts-Nutzern und Stadt. So etwas wie eine Begegnungsmöglichkeit zwischen Nutzern, Bewohner*innen des Viertels und den Trauner*innen der weiteren Umgebung. Mit welchen Nutzungen auch immer: ob das jetzt ein Café ist oder ein Bistro… Ich lasse diese Klammer ganz weit offen, weil es wie immer auf die jeweiligen Menschen ankommt. Also auf Herzblut, Herzblut und Herzblut – mit Kompetenz. (lacht)

Bevor wir zum Schluss kommen, noch eine persönlichere Frage: hast du ein Vorbild oder irgendeine Person, die du gerne mal auf einen Kaffee treffen würdest?

Wenn ich ehrlich bin: Nein. Ich habe für mich irgendwann verstanden: ich will niemandem nacheifern und nicht so sein wie irgendwelche Idole. Ich will einfach mein eigenes Ding machen.

Ich habe jedoch kürzlich ein Buch über den Gründer der ersten Schlafwagengesellschaft gelesen und fand dessen Geschichte sehr inspirierend: Georges Nagelmackers, Gründer der Compagnie Internationale des Wagons-Lits, mit der er Ende des 19. Jahrhunderts Schlaf- und später auch Speisewagen auf Schiene brachte. Nagelmackers hat zudem den Orient-Express eingeführt, weshalb das Buch den Namen trägt: „Monsieur Orient-Express: Wie es Georges Nagelmackers gelang, Welten zu verbinden.“ Der hatte eine Idee, von der er sich nicht abbringen hat lassen. Er hatte zwar – zumindest anfänglich – einen gewissen finanziellen Background, dennoch gab es etliche Widrigkeiten. Er war in den ersten Jahren immer am Abgrund der Pleite und des Scheiterns. Nichtsdestotrotz hat er seinen Traum, seine Vision, verfolgt und konnte sie schlussendlich gewinnbringend in die Realität umsetzen. 

Große Buchempfehlung, besonders für Bahnreisende, wie auch ich einer bin. Das Buch ist sehr gut recherchiert. Es führt unter anderem nach Wien und Paris zur Weltausstellung und man erfährt sehr viele interessante, historische Details aus der Zeit.

Deine Vision für Traun? Was wünscht du den Trauner*innen für die Zukunft?

Mein Gefühl, seit ich die ersten Male nach Traun kam, ist: sowohl die Trauner, als auch die Linzer, schauen auf die Stadt Traun sehr kritisch würdigend.

Ich würde mir, für alle die in Traun leben, wünschen, dass sie sich mit der Stadt gut identifizieren können und sie das Gefühl haben: „Ja, ich bin in Traun und ich bin gern in Traun, weil…“ Sprich, den Fokus auf die guten Dinge zu legen – was ich besonders in Zeiten wie diesen wichtig finde – anstatt auf die „nicht-sooo-guten“ Dinge zu fokussieren. Für all jene Elemente, die vielleicht noch nicht so gut sind, wünsche ich mir einen positiven, schöpferischen Tatendrang von den Traunern, um diese zu verändern.

In den Köpfen der Bewohner muss und wird die Entwicklung zu einer lebenswerten Stadt ankommen. Dafür wünsche ich ihnen, dass sie eine gute Kommunikation untereinander und zur Stadtregierung finden, damit die hierzu notwendigen Maßnahmen entsprechend umgesetzt werden können. Dafür braucht es natürlich ein wenig Geduld, damit man dieser Entwicklung Zeit und Chancen einräumt. Ferner braucht es Unterstützung durch die Trauner und Traunerinnen: aktiv und proaktiv oder auch passiv, indem man zum Beispiel eben das „Schlechtreden“ sein lässt.

Gibt es noch etwas das du den Leser*nnen vom Blog außerdem mitgeben möchtest?

Einerseits möchte ich die Bitte aussprechen, uns bei unseren Bemühungen um die Weiterentwicklung des Graumann-Viertels zu unterstützen. Und: mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Damit meine ich jetzt nicht Blauäugigkeit, sondern die Dinge mit einer grundsätzlich positiven Grundeinstellung anzugehen. Denn was im Moment vielleicht „nur“ eine Hoffnung ist, kann in der Zukunft positive Dinge generieren. Hoffnung lässt Gutes wachsen.

Gabor Wild Porträt